Mineralisierung beim Pferd – Teil der Grundversorgung oder übertriebene Maßnahme?
Die Zahl der Pferde, deren körperliche und psychische Probleme durch einen Mineralien-/Spurennährstoffmangel mindestens begünstigt werden, bzw. mit ausgelöst werden, nimmt ständig zu. Die Lebenserwartung unserer Pferde steigt stetig an (abgesehen von Turnier- und Rennpferden), leider steigt aber auch die Krankheitsneigung (Morbidität).
Die tägliche Futterversorgung unserer Pferde
Die tägliche Futterversorgung unserer Pferde wird in den letzten 50 Jahren stark beeinflusst von der Industrialisierung der Futtermittelproduktion.
Es gibt kaum noch wirklich ganz gesunde Pferde, die den Tierarzt lediglich zum Impfen, Wurmkur, Geburten oder auch Einschläfern, bzw. natürlich bei Unfällen sehen. Es ist mittlerweile zum Allgemeingut geworden, dass der Tierarzt 6 bis 8 Mal pro Jahr ein Pferd wegen der unterschiedlichsten Erkrankungen/Befindlichkeitsstörungen aufsuchen muss.
Dank des heutigen Wissensstandes ist es jedoch meist möglich, immer mehr gesundheitliche Störungen zu vermeiden, bzw. zu beheben. Unser Anliegen ist es vorrangig, insbesondere Prävention zu betreiben, damit Pferde nicht erkranken!
Doch um dies zu erreichen oder damit sich bei bereits bestehender Erkrankung Therapieerfolge einstellen und Symptome verschwinden können, müssen als Basis jeglicher, wie auch immer gearteter Therapie, hierfür zunächst leere Nährstoff- und Energiespeicher aufgefüllt werden. Sonst kann der Organismus sich nicht selbst helfen, und eine Therapie bereits bestehender Erkrankungen wird weitgehend nutzlos bleiben.
Die Gesundheitssituation unserer (Sport-)Pferde heute ist einerseits geprägt von einer drastischen Überversorgung an Kraftfutter (meist mittels industriell hergestellter Müslis jeglicher Machart und diversen Zusatzfuttermitteln) bei oft zu knapper, immer artenärmerer Raufutterversorgung, angebaut auf Böden, die überstrapaziert und ausgelaugt sind.
Andererseits erhalten reine Freizeitpferde wenig bis kaum Kraftfutter bei in der Regel viel zu fetten Wiesen im Sommer und immer häufiger qualitativ bedenklichen Raufuttergaben im Winter sowie keine oder kaum Mineralstoffgaben. In beiden Fütterungsarten fehlt die Komponente einer qualitativ hochwertigen, bioverfügbaren Mineralstoffversorgung, bei gleichzeitig viel zu großen Kohlenhydrat- sowie Proteingaben. Dies macht Pferde stark anfällig für Stoffwechselprobleme.
Warum überhaupt dieser Focus auf die Mineralstoffversorgung?
- Mineralstoffe sowie Spurennährstoffe sind die eigentlichen Motoren, die den Körper am reibungslosen Funktionieren halten.
- Ohne ausreichende Mineralstoffversorgung ist beispielsweise die Aufnahme der meisten Vitamine in die Zellen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Mineralstoffe fungieren hierbei als Transportvehikel.
- Außerdem werden Mineralstoffe für die unterschiedlichsten Stoffwechselvorgänge im Körper ge- und verbraucht.
Der Körper verfügt für die meisten Mineralstoffe über körpereigene Speicher, aus denen er sich bedienen kann (z.B. dient die Knochenmasse als Calciumspeicher). Wenn aber diese Speicher nicht regelmäßig über die tägliche Ernährung aufgefüllt werden, leeren sich diese.
Bereits eine Verminderung des Magnesiumspeichers um 20 % reduziert die Aktivität magnesiumabhängiger Enzyme (dies sind Biokatalysatoren, die sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper steuern und bei Körpertemperatur ablaufen lassen) um mehr als die Hälfte! Dies ist bei den meisten mineralstoffabhängigen Enzymen der Fall.
Leider geben auch Blutuntersuchungen nur ansatzweise Auskunft über bereits bestehende Mineralstoffdefizite, da der Körper die Reserven in den Speichern ins Blut mobilisiert. Der Mineralstoffgehalt im Vollblut kann sich noch im Normbereich befinden, während das oder die von diesem Mineralstoff abhängigen Enzyme bereits mit deutlich messbarem Aktivitätsverlust reagieren. Oft sind hier Haaranalysen wesentlich aussagekräftiger, aber vom Endkunden Pferdehalter in der Regel nicht beurteilbar. Diese schaffen meist nur massive Verwirrung.
Viele Krankheiten oder Befindlichkeitsstörungen sowie Vitalitätsverluste gehen mit Mineralstoffmängeln einher. Erst wenn diese Mangelzustände durch geeignete Fütterungsmaßnahmen behoben werden, kann der Körper auf andere, direkt auf die Krankheitssymptomatik gerichteten therapeutischen Maßnahmen effektiv reagieren.
Ein Mineralstoff-, Spurennährstoffmangel baut sich oft über Monate und Jahre hinweg auf, daher sind bei kurzfristiger Gabe dieser Substanzen zwar meist schon nach wenigen Tagen erste Wirkungen zu sehen, aber eine echte Veränderung in der Gesundheit des Pferdes tritt meist erst nach ca. 6 bis 8 Wochen ein, bei Erkrankungen des Nervensystems oft auch erst nach 6 bis 12 Monaten, da dort die Stoffwechselvorgänge äußerst langsam ablaufen.
Es macht in der Regel keinen Sinn, z.B. bei Haut- oder Hufproblemen lediglich Zink oder Selen zu geben, da der Stoffwechsel ein hoch vernetztes Ineinandergreifen unterschiedlichster biochemischer Abläufe ist, wobei jeder einzelne Reaktionsschritt ein spezifisches Enzym benötigt. Jedes Enzym wiederum ist auf „sein“ Vitamin, seinen Spurennährstoff oder Mineral als Werkzeug (Coenzym) angewiesen, damit es für den Stoffwechselprozess zur Verfügung stehen kann.
Es muss das Ziel sein, den Körper mit einem breiten Sortiment an Coenzymen zu versorgen, vor allem in den richtigen, auf die Bedürfnisse des Pferdes abgestimmten Mengen. Einzelnährstoffe sollten nie längere Zeit ohne kompetente Beratung durch einen Fachmann, Tierarzt/Tierheilpraktiker/Apotheker verabreicht werden, da diese die Aufnahme anderer wichtiger Mineral-/Spurennährstoffe aus der täglichen Futterration einschränken oder blockieren können. Dies führt oft zu weiteren, anders gelagerten Problemen als bisher.
Die freie Verkäuflichkeit solcher Produkte an Endkunden ist als sehr bedenklich anzusehen. Oft wird auch in der Fütterung die Funktion von Mineralien und Spurennährstoffen missverstanden. Die Annahme ist leider immer noch weit verbreitet, dass die Zufuhr einzelner, hoch dosierter Mineralstoffe, gewisse pharmakologische Effekt auf die jeweilige Erkrankung habe. Doch ein Nährstoff wird nicht automatisch zum Arzneimittel, nur weil man ihn hoch dosiert. Viel hilft nicht viel!
Ganz im Gegenteil:
Die Gabe isolierter Einzelnährstoffe hoch dosiert, hat, mindestens bei Dauergaben über 6 Wochen hinaus, gegenteilige Effekte. Beispielsweise wird eine dauerhafte Zufuhr von Eisen zu einer ganz oder teilweisen Blockade der Zinkaufnahme aus der Ration führen. Mineralstoffmangel oder auch einseitige, zu hohe Dosierung von Einzelnährstoffen führt ursächlich oder mindestens als Cofaktor zu vielen Problemen und das nicht nur bei unseren Pferden.
Beispiele hierfür gibt es in der Praxis genug:
- Allergien
- deutlich verminderte Entgiftung
- erhöhte Entzündungsbereitschaft
- allgemeine Leistungsschwäche
- Übersäuerung des Körpers
- Wasseransammlung in den Gelenken/Bindegewebsschwäche
- erhöhte Neigung zu Pilzinfektionen
- Ekzem
- Muskelschmerzen/Krampfneigung
- Übergewicht
Der tägliche Bedarf an Mineralien und Spurennährstoffen ist über die normale Fütterung mit Raufutter schon lange nicht mehr zu decken, da die Futterpflanzen auf mittlerweile extrem nährstoffarmen Böden gedeihen.
Die Antwort der Futtermittelindustrie auf diese Problematik heißt mineralisierte Müslis oder aber auch reine Mineralfutter. Diese Futtermittel sind allerdings nahezu immer mit Substanzen mineralisiert, die als sog. anorganische Salze bezeichnet werden (Sulfat- und Oxidverbindungen sowie Natriumselenit). Diese sind schlecht bis kaum bioverfügbar für den Pflanzenfresser Pferd, d.h. durchschnittlich zwei Drittel der zugesetzten Substanzen gelangen erst gar nicht in die Zellen, sondern werden wieder ausgeschieden. Solche Mineralisierungen sind in der Regel nicht geeignet, ein Pferd wirklich ausreichend mit Mineralstoffen und Spurenelementen zu ergänzen. Auch die meisten reinen Mineralfutter sind ausschließlich mit diesen Substanzen gemischt.
Außerdem muss bei mineralisierten Kraftfuttern immer eine gewisse Menge Getreide hinzu gefüttert werden, um das Pferd in seinem Mineralstoffhaushalt zu versorgen. Das ist ein Widerspruch in sich. Entweder man möchte ein Pferd mit Mineralstoffen versorgen oder aber die Energiezufuhr erhöhen aufgrund von Mehrleistung. Das hat nichts miteinander zu tun. Diese beiden Aspekte sollten in der Fütterung grundsätzlich getrennt werden, um hier individuell dosieren zu können, entsprechend dem wirklich anfallenden täglichen Bedarf sowohl in der Mineralstoffversorgung als auch im Bereich erhöhter Energieversorgung.
Um ein Pferd wirklich ausreichend und qualitativ hochwertig zu versorgen, sollten ausschließlich organisch gebundene Mineralstoffe in der Fütterung zum Einsatz kommen. Nur diese gelangen mehrheitlich in die Zellen des Organismus. Dies sind z.B. Aminosäurechelate, Gluconate und Citrat sowie Fumarat.
Produkte, die auf diese Weise gemischt sind, erscheinen oftmals auf den ersten Blick teurer als diejenigen, die mit anorganischen Salzen versetzt sind. Wenn man jedoch die Mehrkosten für Müslifutter sowie häufigere Tierarzt-/Tierheilpraktikerbesuche, sowie evtl. des Hufschmiedes bei Hufproblemen dazurechnet, wird sehr schnell erkennbar, wie günstig diese Fütterung tatsächlich unter dem Strich ist, bei optimaler Versorgung des Pferdes.
Eine optimale Fütterung des heutigen Freizeit-/Sport-Partners Pferd sieht wie folgt aus:
- ausreichend Raufutter von höchster Qualität (ca. 1,5 bis 2kg Heu/100kg Körpergewicht)
- ein gutes, organisch gebundenes Komplett-Mineralfutter
- Kraftfutter nur nach wirklichem Bedarf, z.B. bei Mehrleistung durch sportlichen Einsatz, Zuchteinsatz, Alter oder Krankheit (Allergien). Auch rassebedingt gibt es Unterschiede beim Kraftfuttereinsatz. Oft ist es am sinnvollsten und am günstigsten, entweder mit Hafer, einfachen, preiswerten Mischfuttermitteln/Müslis zu arbeiten oder auch Gerstenflocken/Reisfuttermehlpellets zu verabreichen.
- Zusätze wie hochwertige Öle oder auch Heuersatzprodukte und Luzerne können individuell durchaus ebenso Sinn machen.
In der letzten Zeit gibt es vermehrt Mineralfutter, die teilweise mit organisch gebundenen Mineralstoffen gemischt sind. Diese sind höherwertig einzustufen als rein anorganische Salzmischungen, haben aber niemals die durchschlagende Wirkung eines rein organisch gebundenen Komplettmineralfutters. Meist werden einzelne Mineralstoffe wie Zink und Selen nur anteilig (wenige Prozent) mit organisch gebundenen Mineralstoffen vermischt. Den weitaus größeren Teil der Einzelmineralstoffe bilden die schlecht bioverfügbaren anorganischen Salze.
Es ist nicht zielführend, ein Pferd höchstwertig mit Mineralstoffen versorgen zu wollen, und dabei ein Futtermittel einzusetzen, dass nur in sehr kleinen Anteilen überhaupt in nennenswerten Mengen resorbiert werden kann. Diese Mischungen leisten viel zu wenig. Eine weitere Entwicklung im Markt für Mineralfutter zeichnet sich ebenfalls ab. Es werden in den letzten Monaten vermehrt „Mineralfutter“ auf Basis von Kräutern oder Kräuter-/Gemüsemischungen angeboten, die angeblich völlig ausreichen würden, ein Pferd „naturbelassen“ und vollwertig zu mineralisieren. Das ist nicht korrekt, da diese Kräuter und Gemüse auf den gleichen mineralstoffarmen Böden wachsen wie das Gras/Heu, das unsere Pferde erhalten. Dann kann man auch einfach Heu füttern, das hat den gleichen, geringen Effekt.
Diese Kräuter-/Gemüsekulturen werden in keiner Weise hochwertig z.B. mit Spurennährstoffdünger versorgt, wachsen auf riesigen Feldern in Monokulturen und werden in der Regel natürlich auch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. Und auch wenn eine gewisse Düngung stattfinden würde, wäre es nicht zu steuern, inwieweit die Pflanzen diese Nährstoffe auch einlagern, damit diese später dem Pferd als Mineralstoff (in welchen Mengen?) im Futter zur Verfügung stehen.
Dann wird diese Mischung in aller Regel mit Zucker oder Geschmacks- und Duftstoffen versetzt, damit das Pferd diese Mischung überhaupt dauerhaft annimmt. Das Pferd kann mitnichten auswählen, was es da frisst. Sehr viele dieser genannten Zusätze müssen auch nicht einmal auf dem Eimer deklariert werden, so dass der Pferdehalter überhaupt nicht erkennen kann, was er da füttert.
Das ist mindestens problematisch einzustufen. Kräuter als Dauergabe zu füttern, sollte man ohnehin ablehnen, da dies die Allergiebereitschaft des Pferdesorganismus deutlich erhöhen kann.
Lesen Sie hierzu auch unsere Informationen zur Kräuterfütterung bei Pferden.
Quelle: Firma HBD-Agrar, Dipl.-Ing. (FH) Frau Anja Beifuss
veröffentlicht auf futter-simon.de: 13.03.2017